Der Markt für mobile Zahlungen ist ein Wachstumsmarkt. Weltweit wird er nach Schätzungen von McKinsey von 1,9 Billionen Dollar im Jahr 2017 auf 3 Billionen US-Dollar im Jahr 2023 steigen. Smartphones und die technologische Entwicklung, die das Bezahlen immer einfacher und komfortabler machen, gehören zu den treibenden Kräften. Wer die Zukunft mobilen Bezahlens sehen will, muss nach China gehen, wo Mobile Payment so populär wie sonst nirgends auf der Welt ist.

Bargeld sei bereits ziemlich aus der Mode, hieß es bereits vor zwei Jahren über den Konsumalltag in China – selbst Bettler würden mobile Zahlungen Bargeld vorziehen. Alipay hat mobile Bezahlmöglichkeiten bereits 2009 eingeführt, Tencent folgte 2013 mit WeChat Pay. Heute hat Alipay mehr als 900 Millionen aktive Nutzer für mobile Zahlungen, 60% aller über Alipay getätigter Zahlungen sind mobiler Art.

Es heißt, die Zahl der chinesischen Geschäfte, bei denen Zahlungen über diese Apps möglich sind, betrage mehr als 40 Millionen. Auch im Ausland verbreiten sich entsprechende Angebote, da chinesische Touristen die gewohnten Möglichkeiten der Bezahlung auch gerne bei ihren Reisen nutzen möchten.

Laut der Deutschen Zentrale für Tourismus ist Deutschland nach den USA das zweit beliebteste Reiseziel für Menschen aus der Volksrepublik. 2018 betrug die Zahl der Übernachtungen chinesischer Touristen 3,02 Millionen, 2030 wird mit 5 Millionen Übernachtungen gerechnet.

Die Zahl ist durchaus signifikant: 2018 veröffentlichten Nielsen und Alipay eine Studie, nach der chinesische Touristen sehr viel häufiger mobile Zahlungsmöglichkeiten nutzten als Reisende aus anderen Ländern, 90% würden eine mobile Zahlung wählen, wenn diese angeboten wird. Gleichzeitig seien sie sehr viel spendabler als andere Touristen: Im Durchschnitt gäben sie 762 US-Dollar für Einkäufe in Deutschland aus, weit mehr als andere Reisende, von denen im Schnitt 486 Dollar ausgegeben werde.

"Es ist wichtig, das Einkaufserlebnis der chinesischen Besucher zu verbessern, damit sie beispielsweise beim Bezahlen von Einkäufen eine ihnen vertraute Art und Weise nutzen können", zitiert China Daily den Direktor des Pekinger Büros der Deutschen Tourismus Zentrale Li Zhaohui. Erhebungen von Nielsen zeigen, dass 60% der internationalen Händler, die Alipay übernommen hätten, einen Zuwachs sowohl in der Kundenfrequenz als auch im Umsatz verzeichneten.


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I n Deutschland können Touristen mit ihrer Alipay App nach Scannen entsprechender QR-Codes unter anderen chinesische Einkaufstipps lesen, elektronische Rabatt Coupons erhalten oder an Lotterien teilnehmen. In einigen Restaurants in Deutschland können sie Bestellung aufgeben und bezahlen, so wie sie das in China gewohnt sind.

Doch die Technik ändert sich, statt selbst QR-Codes zu scannen, lassen Kunden zur Bezahlung immer öfter ihr Gesicht scannen. Alibabas Tochter Ant Financial und Tencents WeChat Pay setzen diese Technik bereits ein. In Guangzhou (Kanton) können WeChat-Nutzer die Fahrt mit der Metro per Gesichtsscan bezahlen: Wer sich zuvor entsprechend angemeldet und die Registrierung über sein Smartphone validiert hat, erhält nach einem Scan Zugang zu Bahnsteig und Zug.
Selbst einscannen, per Gesichtserkennung authorisieren, mit Alipay per Smartphone bezahlen.
© Alibaba
Selbst einscannen, per Gesichtserkennung authorisieren, mit Alipay per Smartphone bezahlen.
Zahlungen über Gesichtskennung sind vor allem deswegen reibungsloser als bei der herkömmlichen mobilen Zahlungsweise, weil kein Gerät benötigt wird, um die Transaktion abzuschließen, sagt Tiffany Lung, Retail-Analystin bei Tofugear, einem in Hongkong ansässigen Einzelhandelsunternehmen, der zum Alibaba-Konzern gehörenden South China Morning Post. Alipay bietet bereits Verkaufsautomaten und Maschinen zum Self-Checkout an, die Gesichts-Scans anwenden, um die Zahlungsprozesse abzusichern.
Wer mit seinem Gesicht bezahlt, sorgt sich wohl kaum um den Datenschutz.
© ant financial
Wer mit seinem Gesicht bezahlt, sorgt sich wohl kaum um den Datenschutz.
Neben dem Gesichtsscan ist die bereits bei Smartphones bekannte Freigabe durch Fingerabdruck die wohl bekannteste Art biometrischer Authentifizierung. Wie Kinofans von Filmen wie Mission Impossible oder mit James Bond wissen, ist auch diese Art der Absicherung nicht vollkommen fälschungssicher. Forscher der Birmingham State University in New York haben eine Möglichkeit entwickelt, die den lebenden Beweis für die Identität des Nutzers liefert: die Herzfrequenz. Da diese so individuell wie ein Fingerabdruck ist, könnte sie nach Meinung der Wissenschaftler eine perfekte zweite Authentifizierung darstellen. Derzeit wird getestet, wie in Form von Armbändern gefertigte Wearables die Herzfrequenz einer Person erfassen, mit der dann NFC-Käufe bestätigt werden.

"Selfie pay" ist eine weitere Möglichkeit der Zahlungsauthentifizierungen. Amazon hat ein Patent angemeldet, mit dem Kunden das Passwort durch einen Selfie ersetzen können; bereits 2016 hat MasterCard "Selfie Pay" angeboten. Kunden großer Banken in den USA und Kanada, die die Selfie-Authentifizierung nutzen möchten, müssen eine spezielle MasterCard-App herunterladen. Beim Einkauf machen sie ein Selfie; die Verifizierung erfolgt, indem die Nutzer aufgefordert werden, bestimmte Aktionen, Bewegungen oder Gesten auszuführen, wenn sie das Foto aufnehmen – beispielsweise zu lächeln, zu blinzeln oder den Kopf zu neigen.

'Smile to Pay' in China

Neben den Bezahlmöglichkeiten über Smartphones wird es in Zukunft immer öfter möglich sein, Wearables zur Zahlung zu nutzen. Der globale Markt für Wearables, mit denen Mobile Payment über NFC (Nahfeldkommunikation) möglich ist, wird laut GlobeNewswire.com von 312 Milliarden Dollar im Jahr 2018 auf 1,1 Billionen Dollar im Jahr 2026 steigen. Im Zuge dieser Entwicklung werden Anbieter wie Tappy Technologies und Fidesmo traditionelle Uhren, batteriefreie, wasserdichte Ringe und andere am Körper getragene Stücke in vollwertige Zahlungsmittel verwandeln, erwartet GlobalWebindex.com.

Übertragungswege spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Mobile Payment. Die meisten dieser Methoden erfordern eine Internetverbindung und spezielle Hardware. Dies ist bei der schallwellenbasierten Übermittlung nicht der Fall. Das Software Development Kit könne einfach und ohne zusätzliche Hardware in POS-Terminals, EDC-Maschinen, mobile Wallets und Bankanwendungen integriert werden. Der Kunde benötige nicht einmal eine Verbindung zum Internet, um die Transaktion durchzuführen, schreibt DigitalDoughnut.com

Magnetic Secure Transmission (MST) wiederum verändert die Zahlung mit Kreditkarte. Die von LoopPay entwickelte Technik erzeugt  Magnetfelder, die in sehr kurzer Zeit wechseln und so die gleiche Magnetfeldänderung erzeugen wie der Magnetstreifen einer Kredit- oder Debitkarte, wenn dieser über den gleichen Lesekopf geführt würde. Hierzu wird Wechselstrom durch eine Induktionsschleife geleitet, die dann vom Magnetlesekopf des Kreditkartenlesers empfangen werden kann. Das empfangene Signal löst sich jenseits eines Abstands von rund 5 cm schnell auf und existiert nur während einer vom Benutzer initiierten Übertragung.

5G schließlich ist eine Übertragungstechnik, mit der sich der Handel nicht früh genug beschäftigen kann. In dem Maße, in dem mit 5G neue Anwendungen Verbreitung finden werden, müsse der Handel ein Zahlungserlebnis bieten, das sich schnell und reibungslos anfühlt. Voraussetzung hierzu sei, die bevorzugten Zahlungsmethoden der Verbraucher in einem bestimmten Markt zu verstehen und darauf einzugehen, unterstreicht China Daily.

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In Deutschland können Kunden der Sparkassen-Finanzgruppe  eine mobile Zahlung voraussichtlich ab Ende November 2019 direkt über das Smartphone freigeben – je nach persönlicher Vorliebe und Smartphone-Ausstattung per Fingerabdruck oder Geräte-Code. Die Eingabe der PIN am Kassen-Terminal ist damit nicht mehr erforderlich.

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Die Kunden kennen und nutzen diese Authentifizierungs-Prozesse  bereits – zum einen, wenn sie täglich mehrfach ihr Smartphone entsperren, zum anderen, wenn sie sich zum Beispiel in der S-App anmelden. "Sie können also das gewohnte Verfahren zukünftig auch nutzen, um ihre Smartphone-Zahlungen zu autorisieren", heißt es bei der S-Payment, dem zentralen Payment-Dienstleister für die Sparkassen-Finanzgruppe .

Und laut den Ergebnissen der Studie „Lost in Transaction“ (2019) von Paysafe fühlen sich 73% der Deutschen wohl damit, ein Element zu nutzen, das einzigartig für ihre Person ist, beispielsweise Fingerabdruck, Gesicht oder Stimme. Mit dem neuen Produktfeature verbessert sich aber nicht nur das Nutzererlebnis. Die Authentifizierung über das Smartphone erfüllt die Anforderungen an eine starke Kundenauthentifizierung der Zahlungsdienstrichtlinie PSD2. Demnach müssen Zahlungen zwei von drei Faktoren erfüllen: Wissen (z. B. Passwort), Besitz (z. B. Smartphone) oder Inhärenz (z. B. Fingerabdruck).

Eine weitere Neuerung betrifft Kinder und Jugendliche (12 bis 17 Jahre), von denen in Deutschland 95% ein Smartphone besitzen und nutzen. Die  S-Payment plant, dass ab Ende November 2019 auch Jugendliche unter 18 Jahren die App „Mobiles Bezahlen“ herunterladen und die Karten ihres Schüler- oder Jugendgirokontos digitalisieren können.

Damit wollen die Sparkassen die „Kunden von morgen“ frühzeitig über das Medium Smartphone ansprechen. Laut der Studie von Paysafe kaufen 45% der deutschen Generation Z (Jahrgang 1997 und jünger) häufiger über das Smartphone ein als mit anderen Geräten und sind offen für In-App-Käufe und Mobile Wallets. Außerdem wünscht sich die junge Generation zusätzliche Bezahlmöglichkeiten in Geschäften. Mehr als die Hälfte (52%) der deutschen 16-24-Jährigen kauft lieber in Läden ein, die kontaktloses Bezahlen anbieten.

Für Anfang 2020 sei eine Transaktionshistorie geplant, die den Kunden einen transparenten Überblick über ihre Smartphone-Zahlungen bietet.

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