Der Elektronikhändler Conrad will mit einem Verkaufsroboter die Kunden auch zu Unzeiten glücklich machen. Aber nur in Berlin. Was taugt das Konzept?

Wenn so ein Augenzwinkern kein gutes Einkaufsgefühl erzeugt. Erst recht, wenn der Kunde zur Unzeit ein lebensnotwendiges Elektronikteil bekommen hat – und das ist ja heute beispielsweise ein Ladekabel für das Smartphone. So etwas bekommt man bei Conrad von „Alex“ Tag und Nacht, sonntags, feiertags.
Roboter Alex verkauft in der Filiale Schöneberg rund um die Uhr ausgesuchte Produkte aus dem Conrad Sortiment.
© MIKA-fotografie | Berlin
Roboter Alex verkauft in der Filiale Schöneberg rund um die Uhr ausgesuchte Produkte aus dem Conrad Sortiment.
Gut, „Alex“ bedient nur in Berlin, und dort auch nur in der Conrad-Filiale in der Kleiststraße im Bezirk Schöneberg. Bei einem Kunden aus Pankow oder dem Wedding muss dann schon der Leidensdruck sehr groß sein, um sich auf den weiten Weg in die Kleiststraße zu machen. Immerhin: Die U-Bahn-Station Wittenbergplatz ist nur ein paar Meter entfernt.

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Technologie

Künstliche Intelligenz: Pleiten, Pech und Pannen

„Alex“ ist ein Verkaufsroboter, den der bayerische Elektronikhändler mit Sitz in Hirschau seit Mitte Oktober in seiner Schöneberger Filiale installiert hat. „Alex“ sieht aus wie ein gemütlicher Riese ohne Unterleib, hat zwei mächtige Greifarme, einen Kopf mit Display, auf dem das Gesicht aufblinkt, das zu zwölf verschiedenen Mimiken fähig ist. Kuss-Herzchen inklusive.

Roboter im Einzelhandel gibt es schon eine Weile, man kennt „Paul“ von Saturn oder „Pepper“ im E-Center in Fürth. Conrad war hier sogar noch fortschrittlicher: Schon 2011 bot der Service-Roboter „Werner“ seine Kundendienste an. Der Unterschied zu „Alex“: Alle drei sind mobile Einkaufshelfer und rollen durch den Laden, um den Kunden zu helfen.

Alles, was die Roboterfinger leicht greifen können

Die neue Conrad-Variante ist immobil und, etwas geringschätzig formuliert, ein Verkaufsautomat mit Gesicht. Das Gerät ist fest installiert in einem eigenen kleinen Kiosksystem, wo es aus 36 verschiedenen Produkten wählen kann. Das sind keine Fernsehgeräte oder Mikrowellenherde sondern kleine Elektronikteile, wie eben Ladekabel oder Powerbanks für‘s Smartphone. Eben alles, was die Roboter-„Finger“ leicht greifen können.

Dancing Star: Pepper bei Edeka Stengel.
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Verkaufsassistenten

Wie der Handel Roboter als Mitarbeiter anlernt

Der Kunde muss für den Einkauf ein gesondertes Mitnahme-Terminal betreten, Zugang bekommt er durch seine EC- oder Kreditkarte, wie bei einem SB-Schalter einer Bank. Dann kann er auf einem Touchscreen sein Wunschprodukt kaufen, bezahlt per Karte oder bar – und „Alex“ greift ins Regal, legt das Teil auf ein Förderband, das es zum Ausgabeschacht befördert. Etwa eine Minute dauert so ein Prozess.

Der Roboter soll Technik erlebbar machen, sagt Conrad-Geschäftsführer Jürgen Groth, der das Gerät auch als Beitrag für die praktische Anwendung von Künstlicher Intelligenz versteht. Dass sein Unternehmen diese Berliner Filiale für den Einsatz von „Alex“ gewählt hat, ist kein Zufall, denn der Laden in Schöneberg ist Conrads „Innovation Store“, wie man es heute oft nennt.
Mit „Werner“ hat Conrad Electronic seit 2011 einen der ersten Serviceroboter am Start.
© conrad
Mit „Werner“ hat Conrad Electronic seit 2011 einen der ersten Serviceroboter am Start.
2018 wurde der Standort umgebaut zu einem Technikparadies mit 18 Themenwelten, Seminarangeboten und Terminals, an denen die Kunden im Laden einkaufen können. „Was wir machen, ist stimmig und in Deutschland neu. Wir betreiben keine Selbstdarstellung“, sagte Groth damals. Die digitalen und technischen Helfer sollen den Kunden unterstützen, es ging nicht um Unterhaltung oder Inszenierung nach dem Motto: Wir sind modern.

Und so sieht Groth heute auch „Alex“. Das lustige Gesicht des Roboters ist nett. Aber besser ist es, wenn der Kunde neben dem Lächeln auch einen handfesten Nutzen geboten bekommt – eben etwas zu kaufen, was er kurz nach Mitternacht wahrscheinlich nirgendwo in der Hauptstadt bekommt.

Selbstverständlich wird Conrad auch auf den Marketingeffekt durch „Alex“ spekulieren. Der Schöneberger Filialleiter Jochen Mädler spricht von einem Hingucker. „Wann hat man schon mal die Chance, einem humanoiden Roboter gegenüber zu stehen und ihn bei seiner Arbeit zu beobachten?“ Die Frage ist, ob jemand, der sich nach Mitternacht bis zu dieser Filiale gekämpft hat, um sich schnell Batterien oder ein Ladekabel zu besorgen, weil für ihn sonst die Welt untergeht, Sinn für einen Grimassen schneidenden Roboter hat.

Entwickelt wurde „Alex“ vom Berliner Unternehmen pi4_robotics, welches das von Conrad verwendete Kiosksystem erstmals 2017 auf der Düsseldorfer Technikmesse EuroShop vorgestellt hatte. Der Vorteil dieser Technik: Sie sei vielseitig, versprach pi4_robotics damals. In der Tat: Den Greifarmen ist es egal, ob sie Kaffeebecher oder Ladekabel transportieren müssen. Rund 400.000 Euro soll das System in der Herstellung gekostet haben. „Unser Ziel ist es, Maschinen zu entwickeln, die Mensch und Umwelt nützen, nicht schaden“, sagt Matthias Krinke, Geschäftsführer von pi4_robotics.

Dass die Conrad-Variante des Workerbot genannten Roboters „Alex“ heißt, ist keine Werkseinstel-lung, sondern das Ergebnis eines Gewinnspiels in den Social-Media-Kanälen des Elektronikhändlers. Und weil ein nicht ganz unbekannter Platz in Berlin auch so heißt, zumindest in der Kurzvariante, ist der Name dieses Hauptstadtroboters gut gewählt.

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