Für moderne Kunden ist Zugang wichtiger als Eigentum. etailment spricht mit Subscription-Experte Tien Tzuo darüber, warum Händler, Hersteller und Dienstleister schleunigst auf Abomodelle umsteigen müssen.
Herr Tzuo, was können Konsumenten in 10 Jahren alles abonnieren?
Die Frage müsste wohl eher lauten: Was können Konsumenten in 10 Jahren nicht abonnieren? Und da fällt mir ehrlich gesagt nicht viel ein, denn bereits heute ist die Vielfalt der Abonnements immens. Es sind aktuell schon die verschiedensten Angebote der Subscription Economy in Form flexibler Nutzungsmodelle und digitaler Zusatzservices erhältlich. Das Spektrum geht weit über Medien und Software hinaus. So gibt es zum Beispiel heute Kaffee-Abos, die dem Kunden jeden Monat eine neue Sorte Kaffeebohnen nach seinem Geschmack direkt nach Hause schicken.
Streamingdienste, Mobilitätsangebote, Lebensmittel- und Rasierklingen-Abos. Zur Küchenmaschine gibt es Rezeptideen im Abo, optional gekoppelt mit automatischer Lieferung der Zutaten und es gibt KI-basierte Bewässerungs- und auch Heizungssteuerungssysteme auf Subscriptionbasis – die Liste lässt sich fast beliebig verlängern. Viele Unternehmen haben die Vorteile der Subscription Economy bereits erkannt, so dass immer mehr Angebote dazukommen. Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: In 10 Jahren wird wohl fast jedes erdenkliche Produkt und jede Dienstleistung als Subscription erhältlich sein.
Wie kann ein Händler Kunden überzeugen, vom einmaligen Kauf zum Abo-Modell zu wechseln?
Egal ob einmaliger Kauf oder Abo-Modell – für den Kunden muss es immer einen Vorteil geben, wenn er ein Angebot annehmen soll. Es ist zwar fast eine Binsenweisheit, aber der Kundennutzen sollte stets im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns stehen. In diesem Zusammenhang sollte sich jeder die Frage stellen, ob der Kunde tatsächlich am Besitz eines bestimmten Produkts interessiert ist. Ist das für den Kunden wirklich vorteilhafter als eine flexible Nutzung?
Selbst in einer so klassisch produktorientierten Branche wie der Automobilindustrie sind entsprechende Weiterentwicklungen zu beobachten. So haben erst vor einigen Monaten Daimler und BMW ihre Carsharing-Dienste fusioniert. Man sucht zielgerichtet nach neuen kundenorientierten Absatzwegen, da sich der reine Automobilverkauf deutlich reduziert hat und die Umsatzzahlen rückläufig sind. McKinsey spricht von 1,5 Milliarden Dollar, die bis 2030 mit neuen Connected-Services rund um das Auto erzielt werden sollen.
Können andere Unternehmen etwas von der klassischen Abo-Branche, den Printmedien, lernen?
Sie haben Recht, der Medien-Bereich und hier speziell die Printmedien arbeitet schon sehr lange mit Abo-Modellen. Das klassische Zeitungs- oder Zeitschriften-Abo ist aber nicht das Paradebeispiel der modernen Subscription Economy, so wie wir sie verstehen. Denn heute geht es ja eher darum, dem Kunden flexibel genau das anzubieten, was er möchte. Deswegen sind gerade diejenigen Printprodukte besonders erfolgreich, die ihr Angebot beispielsweise mit flexiblen Online-Inhalten ergänzen.
Ganz ähnlich sieht es beim Fernsehen aus: Statt klassischer Kabelfernseh-Angebote werden die Streamingdienste immer beliebter. Kabelfernseh-Pakete sind voll mit Inhalten, die uns gar nicht interessieren. Bei Streamingdiensten wird genau das angeboten, was der Zuschauer wann und wo auch immer sehen will, denn die Nutzungszahlen sind der wirkliche Maßstab des Erfolgs.
Übertragen wir diese Beispiel mal auf die Automobilbranche: Führen wir mit einem Mobilitäts-Abo nicht besser, als mit einem "kundenorientierten" Fahrzeug auskommen zu müssen, das wir auch unterhalten und warten müssen, weil wir es besitzen? Brächte uns ein sparsamer Kleinwagen für die tägliche Fahrt zur Arbeit, ein großen Transporter für den Baumarkt, ein komfortabler Kombi für den Ski-Urlaub und ein flexibler Camper in den Sommerferien nicht mehr Nutzen? Kundenzentrierung ist also ein sehr häufig verwendeter Begriff – aber genau darum geht es bei erfolgreichen Geschäftsmodellen der Subscription Economy: Man muss seinen Kunden flexibel ihre Bedürfnissen erfüllen.
Welche zentralen Wachstumsstrategien haben Unternehmen, die Subskriptionsmodelle anbieten?
Flexible Geschäftsmodelle der Subscription Economy sind nicht nur für die Kunden attraktiv, sondern sie bieten auch den Unternehmen Vorteile und eröffnen zahlreiche neue Möglichkeiten. Bei Abo-Modellen haben die Anbieter einen viel tieferen Einblick in die Nutzung durch den Kunden. Sie sehen praktisch in Echtzeit, welchen Teil des Angebots der Kunde verwendet und welchen nicht. Auf Basis dieser Informationen ist eine ständige Optimierung des Angebots möglich. Diese Informationen sind zusammen mit den nutzungsbasierten Angeboten der Schlüssel zum Wachstum. Ohne eine solche nutzungsbasierte Angebotsstrategie verpassen Unternehmen Möglichkeiten zum Upselling.
Aber jetzt kommt das wirklich Interessante: Sowohl ein zu geringer als auch ein zu hoher Anteil von nutzungsbasierten Umsätzen am Gesamtumsatz sind keine gute Sache. Zuora´s eigene Untersuchungen, die auf der weltweit größten Gruppe erfolgreicher Unternehmen basiert, die Subscriptions einsetzen, zeigt, dass Unternehmen, die zwischen 1 bis 50 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit nutzungsbasierten Modellen generieren, jährlich um 28 Prozent wachsen. Das ist das Anderthalbfache gegenüber Unternehmen, die komplett auf nutzungsbasierte Geschäftsmodelle verzichten und 20 Prozent mehr im Vergleich zu Unternehmen, die mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes nutzungsbasiert generieren.
Wo stoßen Abo-Modelle an Grenzen?
Um es ganz klar zu formulieren: Abo-Modelle stoßen noch lange nicht an ihre Grenzen. Wenn es heute Grenzen gibt, dann befinden sich diese in den Köpfen der Verantwortlichen. Denn der Trend zu immer mehr Subscriptions ist ungebrochen. Laut der aktuelle Studie "End-of-Ownership", die The Harris Poll im Auftrag von Zuora durchgeführt hat, verwenden heute bereits 71 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Dienste im Abonnement. Vor fünf Jahren war es nur in etwa die Hälfte der Bevölkerung. Und dies ist noch lange nicht das Ende der Entwicklung.
Letztendlich kann jedes Gut – Kleidung, Lebensmittel oder Mobilität – auch abonniert werden. Man kann sie dann immer nach dem aktuellen Bedarf nutzen, genauso wie es heute schon mit Strom, Gas und Wasser der Fall ist. Zurück zu den Grenzen in den Köpfen der Verantwortlichen: Diese sind gut beraten, die Grenzen schnell zu überwinden.