Frauen kämpfen seit 100 Jahren für Führungspositionen, und "das hat uns nicht sehr weit gebracht. Wir brauchen eine radikale Lösung", erklärt Kim Nilsson, die nach einer naturwissenschaftlichen Karriere erfolgreich die globale Vermittlungsplattform für Datenanalysten, Pivigo, hochgezogen hat.
Die Rolle einer Führungsposition wird oft mit männlichen Attributen verbunden. Dazu gehört Selbstvertrauen. Und Frauen sind in Bezug auf ihre Fähigkeiten und Erfahrungen im Durchschnitt weniger selbstbewusst als Männer. Doch sie MÜSSEN Selbstbewusstsein entwickeln.
Zögern deshalb Frauen mehr als Männer, Karrieremöglichkeiten zu verfolgen?"Frauen sind produktiver, innovativer und kreativer."
Ja, ich denke das stimmt. Dabei geht erneut um Vertrauen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass eine Frau, die glaubt, dass sie nur über 50 Prozent der geforderten Fähigkeiten einer Stellenausschreibung verfügt, überzeugt ist, dass es keinen Sinn macht, sich zu bewerben, während ein Mann in derselben Situation denkt, dass er den Job bekommt! Frauen sind produktiver, innovativer und kreativer – aber wir neigen dazu, uns selbst zu unterschätzen. Das beobachten wir in unserem Unternehmen immer wieder bei den Bewerbungen für unser Schulungsprogramm. Wir müssen Bewerbungen vor diesem Hintergrund „filtern“ und weibliche Bewerbungen anders beurteilen als die von Männern.
Man darf nicht vergessen, Männer haben oft unterstützende Familien und Partner. Diesen Luxus erleben nur wenige Frauen. Auch das geschlechtsspezifische Lohngefälle spielt eine Rolle. Ich selbst habe großes Glück. Mein Ehemann war phasenweise bereit, seine eigene Karriere für meine zurückzustellen. Das ist ungewöhnlich. Frauen haben mehr Zwänge – echte oder wahrgenommene.

Die Frage kann ich nur mit einem zögerlichen Ja beantworten, denn es hängt sehr vom Unternehmen ab. Ich selbst rege mich nicht auf, wenn ich mal für etwas gewählt werde, „weil ich eine Frau bin“ – wenn mir das neue Möglichkeiten gibt. Wenn ich Optionen nur aufgrund meines Geschlechts erhielte, sähe das anders aus.
Frauen kämpfen seit 100 Jahren für Führungspositionen und das hat uns nicht sehr weit gebracht. Wir brauchen eine radikale Lösung, und auch wenn es für die erste Generation seltsam erscheinen mag – es wird einfacher.
Was muss geschehen?
Es wird viel über das Thema geredet – bei Konferenzen, Veranstaltungen, Meetings. Doch es fehlt die Umsetzung – manchmal frustriert mich das. Doch mittlerweile bin ich überzeugt, dass die alltägliche Präsenz des Frauenthemas langfristig zu einer tiefgreifenden Veränderung führt. Es gibt einen Wendepunkt, dann gilt man nicht mehr als Pionier, wenn man Vielfalt befürwortet, sondern es wird peinlich es nicht zu sein. Dann passiert wahre Veränderung.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, die verdeutlichten, dass Sie aufgrund Ihres Geschlechts anders behandelt wurden?
Eine typische Situation: Wenn ich in der Anfangszeit mit meinem männlichen Mitgründer zu Besprechungen ging, konzentrierten sich die Gesprächspartner häufig zuerst auf meinen Kollegen, weil sie davon ausgingen, dass ich die Assistentin bin.
Erst kürzlich nahm ich an einem Abendessen für Gründer teil, ein männlicher Teilnehmer unterstellte mir, ich sei auf der Suche nach einem Job.
Auch bei der Beschaffung von Finanzmitteln bin ich oft auf Sexismus gestoßen. Investoren treffen im Vorfeld Annahmen über mein Unternehmen und geben mir keine Chance. Das Geld sammelten männliche Konkurrenten ein. Ein Angelinvestor bedauerte später, nicht investiert zu haben. Ich hätte damals den Zuschlag nicht bekommen, weil ich nicht „aggressiv“ genug wirkte. Ist es notwendig, dass sich Männer zu emanzipieren beginnen?
Es ist wichtig, dass die Entwicklung für mehr Vielfalt in Unternehmen von Frauen wie von Männern getragen wird. Das kann kein einseitiger Prozess sein. Männer müssen sich bewusst machen, dass es notwendig ist, dass Frauen stärker vertreten sind.
Sie selbst kommen aus Schweden, haben in Dänemark, Deutschland und Großbritannien gelebt. Wie sehen die Unterschiede aus?
Das Niveau der Diskussion um die Gleichstellung von Frauen und Männern ist sehr unterschiedlich. Schweden und andere skandinavische Länder sind dabei am weitesten – das sage ich nicht nur aus Patriotismus.
Was verschenken Unternehmen mit einer niedrigen Frauenquote?"Männer haben oft unterstützende Familien und Partner. Diesen Luxus erleben nur wenige Frauen."
Vielfalt ist entscheidend für Innovation und Kreativität. Beides sind in der heute sich rasch verändernden technologischen und wettbewerbsorientierten Landschaft Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Es sind unterschiedliche Ansichten und Ideen notwendig, um eine konstruktive Debatte anzuregen. Menschen mit denselben Hintergründen und ähnlichen Erfahrungen werden ähnlich denken. Deshalb müssen Vorstände und leitende Angestellte vielfältig besetzt sein.
Ich glaube auch, dass Frauen ein Unternehmen eher wie ein „stabiles Schiff“ führen, mit weniger Krisen und einem glücklicheren Team. Diese fürsorglichen Aspekte sind sehr wertvoll. Das ist gut für Investoren wie Mitarbeiter und Unternehmen.
Unternehmen ohne eine solche Vielfalt werden in dieser vierten industriellen Revolution kaum überleben können.