Kopf hinter der Grocery Commerce Cloud ist Eberhardt Weber, ehemaliger Managing Director bei Hybris. Jetzt bietet er Lebensmitteleinzelhändlern eine komplette E-Commerce-Lösung und zeigt mit lieferladen.de gleich wie's geht. Das Rezept gegen die 'Veramazonung'?
„Uns kommt zugute, dass wir technologisch weit voraus sind“, formuliert Eberhardt Weber selbstbewusst. Der Gründer und Geschäftsführer von lieferladen.de ist gleichzeitig Präsident des Verwaltungsrates der SAAS AG mit Sitz in der Schweiz. Der Informatiker hat zu Zeiten von Carsten Thoma über drei Jahre Hybris mit aufgebaut und später bei Intershop gearbeitet. Jetzt will er den Beweis antreten, wie E-Commerce im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) erfolgreich funktioniert – auch wenn er zunächst vom LEH keine Ahnung hatte, wie er bekennt.
Da mag mancher Lebensmittler zwar skeptisch den Kopf wiegen. Doch dass man heute nicht mehr zwingend eine Lehre absolviert haben muss, um die Eigenheiten einer Branche zu beherrschen, zeigt, dass die Marktgesetze sich verändert haben. Start-ups leben vor, wie Professionalisierung im Zeitraffer funktioniert – zumindest die Erfolgreichen.
Das Komplettpaket
Über die SAAS AG vermarktet Weber seine Grocery Commerce Cloud, die auf der SAP Cloud Platform (SCP) basiert. Sie umfasst: Online-Shop, Back-Office inklusive Produktverwaltung, Kundenverwaltung, Order Management inklusive Wave Picking Algorithmus, Packarbeitsplatz und Logistik-Steuerung. Darin integriert ist auch eine CMS- Lightversion zur Pflege von Marketing-Inhalten. Das erstmalige Set-up wird gesondert berechnet und berücksichtigt händlerspezifische Kriterien, wie die Payment-Anbindung, Bonitätsprüfung oder die Anbindung der Logistik-Dienstleister.Der Preis setzt sich aus mehreren Elementen zusammen: monatliche Grundgebühr plus umsatzbezogene Provision. „Wir gehen bewusst mit in die Verantwortung“, kommentiert Weber.

Nimmt das Volumen zu, sinkt der Preis
Dafür bekommen die Kunden eine permanente Aktualisierung. Weber beschäftigt fünf Vollzeit-Entwickler, die wenigstens alle zwei Wochen unterbrechungsfrei neue Features liefern. Möglich sei dies durch die cloudnative Microservice-Architektur mit Headless Commerce APIs. „Wir arbeiten mit einem DevOps-Team und können sehr agil entwickeln“, so der Gründer. Aktuell stehen Themen auf der To-do-Liste der Entwickler wie eine weitere Individualisierung des standardisierten Online-Shops, weitere Verbesserung des Back-Office für die Händler, Picking-Scanner WebApp zur Kommissionierung beim Händler oder die Strukturierung und Filterung von Rezepten zum Beispiel nach Allergenen.Morgens bestellt – am selben Tag geliefert
Weber startete mit seiner Grocery Commerce Cloud kurzerhand selbst einen eigenen Lieferdienst: lieferladen.de – zunächst im Raum Stuttgart, mittlerweile auch im Raum Ulm.
Käse und Wurst auch scheibenweise
Besonders ist: Fleisch, Wurst und Käse können nicht nur am Stück nach Gramm gekauft werden, sondern aufgeschnitten unter Angabe der gewünschten Scheibenstärke. Das ist ein Service, der genutzt wird, und sich in einem Anteil von 25 Prozent Fleisch und Wurst plus 20 Prozent Molkereiprodukte und Käse andeutet. Ab Herbst wird ein regionaler Käsehändler mit 150 Sorten die Auswahl noch erweitern. Die übrigen 55 Prozent teilen sich Obst und Gemüse (20 Prozent) und das Trockensortiment (35 Prozent).Zeitliche Flexibilität reduziert Lieferpauschale
Die Lieferung kommt nicht frei Haus. Je nach zeitlicher Flexibilität werden 3,90 Euro (vier Stunden Zeitfenster) bis zu 7,90 Euro (zwei Stunden Zeitfenster) berechnet. Anders als Konkurrent Picnic, der sich aktuell in Nordrhein-Westfahlen etablieren und den Markt über die kostenlose Lieferung knacken will, hat sich Weber bewusst für diesen Kostenpunkt entschieden. „Ein Lieferservice kostet Zeit und Personal. Das wollen wir mit einer Bepreisung auch dem Kunden deutlich machen und nicht in Produktpreise rechnen“, so Weber. Auch für Schweizer beispielsweise scheint eine Liefergebühr selbstverständlich zu sein. Bei Coop@home müssen sie mit 17,90 Schweizer Franken deutlich tiefer in die Tasche greifen als Schwabenland - wie etailment.de berichtete.Wave-Picking sorgt für Effizienz
Zentral und entscheidend für die Effizienz sieht Weber den Wave Picking Algorithmus. Webers Mitarbeiter „picken“ in Geschäften wie Rewe, Cash+Carry, einem regionalen Bäcker und Metzger die Bestellungen direkt vor Ort. Im System ist die Ladengeographie und Regalsystematik hinterlegt, so dass die passenden Einkaufslisten entsprechend eines Algorithmus ausgespuckt werden.Die Mitarbeiter können so hoch effizient quasi im Dauerlauf den Markt absolvieren und die Gesamtliste einsammeln. Die kundenspezifische Kommissionierung erfolgt täglich ab 11 Uhr im Großmarkt Stuttgart, wo sich lieferladen.de eingemietet hat. Die tägliche Abwicklung der Aufträge hat mittlerweile lieferladen.de Mitgeschäftsführer Johannes Kunkel mit Mitarbeitern im Griff.
Naturgut startet E-Commerce
Das Komplettpaket der Grocery Commerce Cloud nutzt aktuell der Naturkosthändler Niko Tsiris mit zehn „Naturgut“-Standorten in Stuttgart. Er hat seine Homepage zum E-Shop gewandelt und gewinnt damit neue Kundenkreise (siehe Der Handel Ausgabe 9/2018).


In London startet Lieferservice für koschere Produkte
Gerade ging ein weiterer E-Shop mit dem SAAS-Paket live: Goko Supermarket – ein Einzelhändler in London, der koschere Produkte verkauft. Der Start im Juli übertraf die Erwartungen. Der Händler liefert in London selbst aus inklusive TK-Ware, landesweit wird die Bestellung binnen 24 Stunden per Post zugestellt.
Internationaler Markt
Neben Amazon fresh, Picnic oder Rewe Lieferservice sieht Weber für seine Cloud-Lösung genug Potenzial – nicht nur in Deutschland. „Der britische Markt ist höchstinteressant, wie auch die USA“, erläutert Weber. Hier sei man im Online-LEH deutlich voraus, die Systeme bereits reif für ein update, eine zweite Generation. Für diesen Entwicklungsschritt sieht er sich bestens gerüstet, denn, wie schon erwähnt, "wir sind technologisch weit voraus", so Weber.MEHR ZUM THEMA: